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Viele offene Fragen

Veröffentlicht am 12.06.2023

Über ein Jahr lang habe ich zu Fanny Metzger, geb. Berberich recherchiert. Manches, was zunächst erfolgversprechend aussah, entpuppte sich dabei als Sackgasse. Am Ende habe ich viel erfahren und herausgefunden, aber es bleiben noch viele offene Fragen.

Die ganz große Frage, die bis jetzt nicht endgültig zu beantworten ist, da dazu Dokumente und Quellen fehlen., ist die Frage, wie Fanny Metzger das Dritte Reich überlebt hat und inwieweit sie zu den Verfolgten gehörte.

Aus ihrem 1944 abgefassten Testament geht hervor, dass nichts mehr sehen konnte und schon längere Zeit auf (fremde) Hilfe angewiesen war. Ist dieses Leiden und die Pflegebedürftigkeit eine direkte oder indirekte Folge der nationalsozialistischen Rassenpolitig? Fanny standen - auch das geht aus ihrem testament hervor - keine finanzielen Mittel zur Verfügung. Sie hatte zwar insofern Vermögen, dass sie Erbin ihres bereist 1922 verstorbenen Mannes war, konnte aber für die ihr geleistete Unterstützung Frau Borkholder nicht bezahlen und hat sie deshalb in ihrem Testament bedacht. Ihre Mittellosigkeit hängt sicher mit dem frühen Tod ihres Mannes Gotthilf Metzger zusammen (im Haus in der Hochstraße 3 wohnten - das geht aus den Adressbucheinträgen hervor - neben Fanny und dem Sohn Wilhelm immer auch andere  Personen; mir scheint, dass die Vermietung als Einnahmequelle nötig war), es könnte jedoch auch eine Rolle spielen, dass Fanny nach der nationalsozialistischen Politik als Jüdin galt, obwohl sie der evangelischen Kirche angehörte. War im Adressbuch der Stadt Bruchsal von 1930 Fanny Metzger als Inhaberin des Grabsteingeschäfts genannt, könnte sieim Laufe des Dritten Reichs von der antijüdischen Gesetzgebung und Stimmung betroffen gewesen sein.

Fanny ist in gewisserweise ein Sonderfall:

1. Fanny war ist jüdischer Abstammung; ihre Mutter Dina war Jüdin; der Vater ist aktenmäßig unbekannt; galt sie als Halbjüdin?

2. Fanny war  evangelisch und somit eine "nichtarische Christin". Wann ist sie konvertiert? Bei der Eheschließung mit Gotthilf Metzger oder bereits früher? Auch Christen jüdischer Abstammung mussten zunehmend verfolgung erleiden.

3. Fanny war mit Gotthilf Metzger verheiratet; nach nationalsozialistischem Denken war dies eine sogenannte Mischehe. Aber Gotthilf ist bereits 1922 verstorben, die Ehe bestand somit zur Zeit des Dritten RFeiches nicht mehr und bot deshalb keinen Schutz.

4. Gehörten in einer Mischehe Kinder einer christlichen Konfession an, so bot dies zumindest zweitweise dem jüdischen Elternteil Schutz. Wilhelm war jedoch adoptiert. In der Literatur fand ich keinen ähnlichen Fall. Als Halb- oder vierteljüdisch scheint er nicht gegolten zu haben; er war ab 1940 bei der Wehrmacht - ohne jegliche Einschränkung.

5. Bei der Volkszählung 1939, bei der explizit nach den jüdischen Vorfahren gefragt worden war, wurden bei Fanny zwei jüdische Großelternteile festgehalten. Von der Deportation der badischen Juden 1940 nach Gurs war Fanny nicht betroffen. Die Frage ist, wer oder was hat sie geschützt?

6. Wie erging es es ihr in den Jahren zwischen 1939  bis 1945? Die Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung wurde zunhemend härter, so dass auch bisherige Ausnahmen (Mischehen, Angehörige einer christlichen Konfession, "Halbjuden" keinen zureichenden Schutz mehr boten, so mussten zum Beispiel auch "nicharisch Christen" den Judenstern tragen. Wie erging es Fanny da? Wurde sie geschützt? Oder war sie unter dem "Radar" und ihre jüdische Abstammung verborgen.

7. Auffällig finde ich, dass Fanny im Herbst 1944 ein notariell (Notar Justizrat Hampe) beglaubigtes Testament verfassen konnte, bei dem der Notar und zwei Zeugen aus der Bruchsaler Stadtverwaltung in ihrem Haus anwesend waren immerhin waren die Notariate gleichgeschaltete Institutionen.

8. Fanny war jüdischer Abstammung, aber sie war evangelisch und sie war evangelisch verheiratet. In ihrem Testament von 1944 hat sie den evangelischen Gemeindeschwestern für deren Unterstützung und der evangelischen Südstadtpfarrei einen Geldbetrag vermacht. Nach ihrem Tod 1946 in München wurde Fanny jedoch auf dem jüdischen Friedhof in Bruchsal bestattet; d.h. nicht im Grab ihres 1922 verstorbenen Mannes. Hat sie sich bewusst als Jüdin gefühlt, villeicht auch, weil sie im Denken der nationalsozialistischen Idelogie als Jüdin galt, weil sie jüdischer Abstammung war. Es existiert eine Geburtsurkunde von fanny, geb. berberich, die 1946 kurz vor ihrem Tod in ihrem Geburtsort Großkrotzenburg ausgestellt worden war. Brauchte sie diese Urkunde, um ihre jüdische Abstammung nachzuweisen?

Über allem steht die Frage, wie hat Fanny diese Zeit persönlich erlebt? Wie stark war sie finanziell, physisch, aber auch psychisch und emotional betroffen? In ihrer Herkunftsfamilie in Großkrotzenburg waren Opfer der nationalsozialistischen Politik zu beklagen. Ihr Halbbruder, dessen katholische Frau, sowie deren Kinder überlebten das Dritte Reich nicht.

Darüber hinaus gibt es weiter Fragen, aber die folgen später.